Glossar

Für die Arbeit im Themenbereich von Pauschalisierenden Ablehnungskonstruktionen ist eine trennscharfe Unterscheidung und reflektierte Verwendung von Begriffen elementar. Wir haben relevante Definitionen zu Begriffen zusammengestellt, deren Verwendung in der Alltagssprache häufig ungenau bzw. synonym erfolgt.

Pauschalisierende Ablehnungskonstruktionen (PAKOs)
Rechtspopulismus
Rechtsextremismus
Neonazismus/Neofaschismus
Rechtsradikalismus
Autoritärer Nationalradikalismus
Pauschalisierende Ablehnungskonstruktionen (PAKOs)
PAKOs beschreiben „(Prozesse der Entwicklung von) Ablehnungshaltungen gegenüber Gruppierungen, Weltanschauungen, Religionen und Lebenspraxen auf der Grundlage undifferenziert verallgemeinernder, inhaltlich nicht haltbarer und empirisch nicht belegbarer Zuschreibungen.“
Das von Kurt Möller entwickelte Modell der PAKOs beschreibt politische und soziale Haltungen, die sich biographisch auf Basis individueller Erfahrungen und in Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Entwicklungen herausgebildet haben. Er stellt heraus, dass Personengruppen imaginiert werden. Die Abgrenzung zu diesen kann sich auf einem Spannungsbogen von Distanz über Ablehnung, Abwertung, Hass, Diskriminierung bis hin zu Gewalt bewegen. Beziehen kann sich eine derartige Haltung z.B. auf die Herkunft, den Glauben, das Geschlecht, den Stil, die Sexualität oder den sozialen Status.
Möller, K., Grote, J., Nolde, K., Schuhmacher, N.: „Die kann ich nicht ab!“ – Ablehnung, Diskriminierung und Gewalt bei Jugendlichen in der (Post-) Migrationsgesellschaft. Springer. Wiesbaden. 2016.
Projektgruppe „Rückgrat!“: Lempp, M., Möller, K., Nolde, K., Schuhmacher, N.: „Mit Rückgrat gegen PAKOs!“. Eine Step by Step- Anleitung für die Jugendarbeit zur Gestaltung und Selbstevaluation von Angeboten gegen Pauschalisierende Ablehnungskonstruktionen. Bonn. 2017. https://www.bpb.de/shop/lernen/weitere/249751/mit-rueckgrat-gegen-pakos
Rechtspopulismus
Wird im medialen Diskurs sowie der Forschung oft in Verbindung des Erstarkens der „Neuen Rechten“ in Europa gebraucht. Parteien wie die AfD, Front National oder FPÖ verwenden rechtspopulistische Äußerungen. Charakteristisch für den Rechtspopulismus sind insbesondere drei Narrative: Populismus, Nativismus und Autoritarismus.
Diskutiert wird, ob Rechtspopulismus eine eigene politische Strömung oder eine politische Strategie beschreibt, die bspw. auch innerhalb der rechtsextremen Bewegung genutzt wird. Zu der Strategie gehören etwa das medienwirksame Provozieren und Mobilisieren von Affekten, indem aktuelle Debattenthemen aufgegriffen, polemisch und polarisierend zugespitzt werden. Rechtspopulismus ist zunehmend ideologisch flexibel geworden, was ihn anschlussfähiger macht.
Im Populismus herrscht die antagonistische Vorstellung des einfachen ‚wahren‘ Volkes gegen die ‚korrupten‘ Eliten vor. Im Fokus steht dabei das Gefühl der Enttäuschung nicht von den etablierten Parteien vertreten zu werden.
Nativismus bedient sich einer inszenierten Bedrohung gegenüber der eigenen Bevölkerung, die von Menschen anderer Nationalität bzw. durch ausländische Einflüsse im Allgemeinen entsteht.
Autoritarismus beschreibt die Vorstellung einer bedrohten inneren Ordnung, die durch das strikte Einhalten des Gesetzes wiederhergestellt werden müsse.
Häusler, A. : AfD, Pegida & Co. Die Formierung einer muslimfeindlichen rechten Bewegung. In: Antes, Peter/Ceylan, Rauf (Hrsg.): Muslime in Deutschland. Historische Bestandsaufnahme, aktuelle Entwicklungen und zukünftige Forschungsfragen. Springer VS, S. 59-74. Wiesbaden. 2016.
Mudde, C., Kaltwasser, C. R.: Populism and (liberal) democracy. A framework für analysis, in: Dies. (Hgg.): Populism in Europe and the Americas. Cambridge: Cambridge University Press, S. 1-26. 2012.
Rechtsextremismus
Der Begriff wurde erstmals 1974 vom Verfassungsschutz gebraucht, nimmt jedoch nur konkrete verfassungsfeindliche Handlungen (nicht Einstellungen) von Personen und Organisationen in den Blick.
Die auf der Konsensuskonferenz (2001) beschlossene Definition legte folgende Dimensionen von rechtsextremen Einstellungsmustern (vgl. www.doew.at) fest: Befürwortung einer rechtsgerichteten (bzw. rechtsautoritären) Diktatur; Chauvinismus; Ausländerfeindlichkeit; Antisemitismus; Sozialdarwinismus; Verharmlosung des Nationalsozialismus. Verbindendes Element dieser Einstellungsmuster ist die Grundlage von Ungleichwertigkeitsvorstellungen. Diese Definition liefert bspw. die Grundlage für die Befragung zu rechtsextremen Einstellungen im Rahmen der sogenannten „Leipziger Autoritarismus-Studien„, einer Langzeituntersuchung, die seit 2002 alle zwei Jahre durchgeführt wird.
Während der Begriff sowohl von Verfassungsschutzbehörden als auch im medialen und politischen Diskurs gebraucht wird, wird er von politikwissenschaftlicher Seite kontrovers debattiert. Häufigster Kritikpunkt an der Extremismustheorie ist die implizite Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus, deren Vergleichbarkeit jedoch nicht für sinnvoll erachtet wird (vgl. Bobbio). Zusätzlich würde durch den Begriff ein gewisses Randphänomen suggeriert, das von der politischen Mitte eindeutig zu trennen sei (Butterwegge 2002). Dass Einstellungsmuster in Bezug auf Ideologien der Ungleichwertigkeit in der politischen Mitte zu finden sind, zeigt sich bspw. in den bereits erwähnten„Mitte“-Studien (vgl. Decker/Brähler).
Bobbio, N.: Rechts und Links. Gründe und Bedeutungen einer politischen Unterscheidung. Wagenbach. Berlin. 1994.
Butterwegge, C.: Rechtsextremismus und Jugendgewalt – Erklärungsmodelle in der Diskussion. 2002. (zuletzt aufgerufen, 14.09.2021)
Decker, O., Brähler, E.: Vom Rand zur Mitte. Rechtsextreme Einstellungen und ihre Einflussfaktoren in Deutschland. Friedrich-Ebert-Stiftung. Berlin. 2006.
aktuell unter: Leipziger Autoritarismus- Studien
vgl. auch Begriffsbestimmungen des Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes auf www.doew.at
Neonazismus/Neofaschismus
Beide Begriffe verweisen auf eine spezifische historische Referenz, indem sie sich auf den Faschismus bzw. den Nationalsozialismus beziehen. Mit den Begriffen werden Personen oder Organisationen erfasst, die sich zu den Ideologien des Nationalsozialismus oder zu faschistischen Bewegungen in Europa bekennen, unter positiver Bezugnahme auf die Errichtung eines totalitären Führerstaats nach dem Vorbild des„Dritten Reiches“. Sie sind als ultrarechter Personenzusammenschluss innerhalb des Rechtsextremismus zu fassen, wobei nicht jede*r Rechtsextremist*in gleichzeitig als Neonazi bezeichnet werden kann.
Rechtsradikalismus
Noch vor der Verwendung des Begriffs Rechtsextremismus war seit den 1960ern vom Rechtsradikalismus die Rede: Rassismus, Radikalisierung, Rechtsterrorismus (vgl. Quent). Aus Sicht der Verfassungsschutzbehörden galt die freiheitliche demokratische Grundordnung sowohl von rechten als auch linken Radikalen bedroht. Seit Mitte der 1970er Jahre wurde er dann zunehmend vom Begriff des Rechtsextremismus verdrängt bzw. später in den 1990er Jahren als abgeschwächte Form des Rechtsextremismus eingesetzt, der nicht zwangsläufig die Grundprinzipien der Verfassungsordnung aberkennt. Aufgrund dieser unscharfen Trennung der Begriffe, die eher Verwirrung stiftet als dass sie nützlich ist, wird aus Sicht der Politikwissenschaft vereinzelt davon abgeraten den Begriff überhaupt zu verwenden (Butterwegge 2012). Stattdessen wird immer häufiger allgemein von Radikalisierung bzw. Radikalisierungsprozessen gesprochen, die ideologie- und gruppenübergreifende Gemeinsamkeiten aufweisen und dabei ähnlichen Mustern folgen können. Zentral sind dabei das Vorherrschen von ideologiegeprägten Weltbildern sowie feste Gruppenbindungen. Mit solch einem Fokus lassen sich beispielsweise auch Parallelen zwischen islamistischen und rechtsextremen Jugendgruppen identifizieren.
Butterwegge 2012
Quent, M.: Rassismus, Radikalisierung, Rechtsterrorismus. Wie der NSU entstand und was er über die Gesellschaft verrät. Beltz. Weinheim. 2016
Autoritärer Nationalradikalismus
Ein Begriff des Soziologen Wilhelm Heitmeyer, der Parteien wie die AfD oder Phänomene wie bspw. PEGIDA charakterisiert. Drei Kennzeichen sind dabei elementar: autoritär, national, radikal.
Das Autoritäre beschreibt die Kontrollabsichten gesellschaftlicher Vorgänge. Mit Sätzen wie: „Wir holen uns unser Land zurück“ liefert die AfD bspw. einfache Bilder, die eine Wiederherstellung von Sicherheit und Ordnung suggerieren. Dies ist eine Reaktion auf einen individuellen und gesellschaftlichen Kontrollverlust, ausgelöst durch folgende zentrale Verunsicherungen: Globalisierung; Islamistischer Terror; Migration; Hartz IV; Corona. Mit dem ständigen Gefühl fehlender Anerkennung auf ökonomischer, sozialer und politischer Ebene verleiht die nationale Identität ein Gefühl der Stabilität.
Das Nationale wird bestimmt von einem Überlegenheitsanspruch des deutschen Volkes. Damit verbunden ist auch der Anspruch einer neuen deutschen Vergangenheitsdeutung („Es war nicht alles schlecht.“).
Zentral für den autoritären Nationalradikalismus ist die Intention der Wirksamkeit auf institutioneller Ebene. Das Ziel ist eine destabilisierende Veränderung der offenen Gesellschaft und liberalen Demokratie durch langfristiges Eindringen in Institutionen für ein autoritäres Kontrollparadigma.
Heitmeyer, W.: Autoritäre Versuchungen. Signaturen der Bedrohung I. Suhrkamp. Berlin. 2018