MJA verhandelt – zwischen Widerstand und Instrumentalisierung. Bericht vom sächsischen Streetworktreffen 2025 in Schmiedeberg/ Osterzgebirge

Vom 22. bis 24. September 2025 wurde das Martin-Luther-King-Haus in Schmiedeberg von über sechzig Streetworker*innen aus Sachsen in Beschlag genommen – ergänzt von Gästen aus Hamburg und Sachsen-Anhalt. Seit über zwei Jahrzehnten bildet die Tagung den zentralen Treffpunkt für Streetworker*innen, die in Sachsen unter besonderen Bedingungen arbeiten. Dieses Jahr glich die Stimmung einem wahrlichen Drahtseilakt zwischen Krisenbewusstsein und Zukunftsmut: Die Bedrohung durch Ausgrenzung, Menschenfeindlichkeit und krisenhafte Zivilgesellschaft wurde offen benannt – und gerade davon ausgehend die Rolle der Fachkräfte reflektiert.

Jugendpolitische Brisanz: Mobile Jugendarbeit als Anker in Sachsen

Die Tagungsausschreibung brachte die politische Dimension konkret auf den Punkt: Mobile Jugendarbeit muss heute mit mehr Unsicherheiten und Gegenwind umgehen denn je. Gerade in Sachsen – einem Land, in dem gesellschaftliche Spannungen sichtbarer und Diskriminierungsformen oft reproduziert werden – sind Mobile Jugendarbeit und Streetwork stabile und verlässliche Anker für junge Menschen. Diese Verlässlichkeit, öffentlich sichtbar und parteiisch zugleich, wird immer kostbarer: Sie gerät durch Finanzierungskürzungen, lokale Unsicherheiten und die Präsenz rechter Gewalt beständig unter Druck. Dabei eröffnete die Tagung Räume für Dialog, Widerstand und ganz alltägliche Begegnung. Als Plattform für Austausch, Orientierung und jugendpolitische Selbstvergewisserung ist die Tagung damit ein besonderer Ort für die sächsische Jugend(sozial)arbeit.

Fachliche Impulse & Workshops – Praktische Antworten auf schwierige Fragen

Die Eröffnung durch Lena Rain Wegmann und Prof. Dr. Katrin Pittius verknüpfte zwei zentrale Themen Mobiler Jugendarbeit und Streetwork mit Fragen des Geschlechts: Die Gestaltung öffentlicher Räume durch Stadt- und Raumplanung sowie Armutslagen in Deutschland und Sachsen. Beide Referent*innen verdeutlichten dabei die Notwendigkeit intersektionaler Analysen und Praktiken. In fünf Workshops lag der Fokus auf relevanten Praxisfragen: Sichtbarkeit von FLINTA*-Personen in männlich dominierten Räumen, progressive Öffentlichkeitsarbeit, sozialräumliches in den Blick nehmen von rechts ideologisierten Bezugssystemen und Alltagserfahrungen junger Menschen, , Bündnisarbeit in Sozialer Arbeit und die Selbstorganisation von Adressat*innen. Die Fishbowl-Diskussion am zweiten Tag machte klar, wie stark lokale Erfahrungen mit antidemokratischen Strömungen das professionelle Handeln prägen – und wie sehr der offene Dialog unter Kolleg*innen Stärke und neue Widerstandskräfte freisetzt.

Vielschichtiger Austausch und lebendige Tagungsatmosphäre

Besonders hervorzuheben ist die dichte Vernetzung und das große fachliche Engagement in der Selbstorganisation: Spontane Miniworkshops, ein offenes Reflexionsteam und das sich weiter bewährende Awarenesskonzept sorgten für vielfältige Beteiligung und Wohlfühlklima – nicht als Selbstzweck, sondern als Rückgrat für die innovative, selbstkritische und engagierte Mobile Jugendarbeit in Sachsen. Die Tagung lieferte kreative Kraft, frische Impulse und vor allem ein starkes Statement: Mobile Jugendarbeit ist und bleibt ein gesellschaftlicher Seismograf, in dem Einmischung, Dialog und Widerstand nicht nur möglich, sondern notwendig sind.

Ausblick: Gemeinsam weiterdenken

Das gesammelte Feedback und die Themen der rund siebzig Teilnehmenden fließen direkt in die Planung für das sächsische Streetworktreffen 2026 ein. So bleibt die Tagung nicht nur fachliche Weiterbildung, sondern auch jugendpolitische Standortbestimmung: ein Ort, an dem sich Mobile Jugendarbeit und Streetwork für ganz Sachsen immer wieder weiterentwickelt und behauptet.

Das nächste Streetworktreffen findet vom 21. bis 23. September 2026 auf Schloss Colditz statt.