Mobile Jugendarbeit/ Streetwork im SGB VIII benennen!? Resümee einer Fachdiskussion in den Arbeitsfeldern

Die Idee Mobile Jugendarbeit/ Streetwork[1] als Begrifflichkeiten im Gesetz zu verankern ist nicht neu, sondern wurde bereits im Entstehungsprozess des derzeitigen SGB VIII Ende der 1980er Jahre verfolgt. Durch eine begriffliche Benennung versprachen sich engagierte Fachkräfte auf Bundes- und Landesebene eine Stärkung der Arbeitsfelder, die Möglichkeit der schärferen Definition und Abgrenzung zu weiteren Arbeitsfeldern und daraus resultierend ein besseres Verständnis der Arbeitsfelder in Politik und Verwaltung. Zeitgleich böte die Verankerung im § 13 die Möglichkeit gewerkschaftliche Forderungen nach einer besseren tariflichen Eingruppierung durchzusetzen. Durch den derzeitigen Novellierungsprozess des SGB VIII keimte die Idee nun wieder auf und wurde in den Arbeitsfeldern erörtert. 

Angestoßen durch das Positionspapier der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Mobile Jugendarbeit/ Streetwork Baden-Württemberg e.V. zur Verankerung Mobiler Jugendarbeit im § 13 SGB VIII[2] beschäftigte sich der Landesarbeitskreis (LAK) Mobile Jugendarbeit Sachsen e.V. in einem breiten Diskussionsprozess mit diesem Anliegen. Ziel war das Entwickeln einer eigenständigen fachpolitischen Position durch den Austausch mit den Projekten Mobiler Jugendarbeit/ Streetwork in Sachsen. Der LAK Mobile Jugendarbeit Sachsen initiierte hierfür Diskussionsforen in den verschiedenen Regionalgruppen, auf dem sächsischen Streetworktreffen und nutzte die eigene Onlineplattform, um Informationen zu teilen und Rückmeldungen zu ermöglichen. Als Ergebnis des Diskussionsprozesses kommt der Fachverband zu dem Entschluss, das Positionspapier nicht zu unterzeichnen. Im Folgenden soll diese Position nachvollziehbar begründet werden, um daraus weitere fachlichen Diskussionen zu ermöglichen und das Arbeitsfeld weiterhin zu entwickeln. Gleichzeitig bedankt sich der LAK Mobile Jugendarbeit Sachsen bei den Kolleg*innen der LAG Mobile Jugendarbeit/ Streetwork Baden-Württemberg für die Initiierung dieser bundesweiten Fachdiskussion, welche es ermöglichte das eigene Verständnis der Arbeitsfelder zu hinterfragen und zu schärfen.

Im Diskussionsprozess in Sachsen kristallisierten sich drei Diskussionsstränge und -ebenen heraus:

  1. Verankerung Mobiler Jugendarbeit/ Streetwork im SGB VIII, mit der Absicht das Arbeitsfeld zu stärken
  2. Profilschärfung Mobiler Jugendarbeit/ Streetwork im Sinne der Jugendsozialarbeit und Ausrichtung der Arbeit an ausgegrenzten oder von Ausgrenzung bedrohten jungen Menschen
  3. Stärkung der (Mobilen) Jugendarbeit/ Streetwork im ländlichen Raum durch personell bessere Ausstattung sowie gemeinwesenorientierte Ausrichtung

Eine potentielle Aufwertung und Stärkung des Arbeitsfeldes wurde als wichtig empfunden, bei gleichzeitiger Kontroverse, ob dies durch die Verankerung im § 13 zu erreichen sei. Deutlich wurde hierbei auch, dass die konkreten Auswirkungen nur sehr schwer einzuschätzen seien. Positiv betont wurden die Chancen einer besseren und kontinuierlicheren Finanzierung. Hingegen negativ in die Diskussion gebrachte Argumente hinterfragten die Sinnhaftigkeit der Benennung einzelner Arbeitsfelder in einem Paragraphen, verbunden mit der Gefahr einer Festlegung auf diese und damit möglicherweise der Verzicht auf Innovation in der Praxis.

Die Verortung im § 13 stieß bei denjenigen Projekten auf besondere Skepsis, welche sich eindeutig im § 11 verorten. Das Verständnis Mobiler Jugendarbeit als Jugendarbeit im Sinn des § 11, als Breitenangebot der Jugendhilfe gerade dort, wo andere Angebote fehlen, tritt besonders bei Projekten im ländlichen Raum zu tage. Betont wurde dabei auch die Chance einer positiven Sicht auf die Adressat*innen im Gegensatz zum defizitorientierten Charakter des § 13. Die Ausrichtung Mobiler Jugendarbeit/ Streetwork in Sachsen, auch dies wurde anhand der Diskussion wieder deutlich, ist stark abhängig von der Verortung der Projekte im kommunalen/ regionalen Kontext. Während Groß- und Mittelstädte Mobile Jugendarbeit/ Streetwork in der Regel nach § 13 fördern, werden sie in Kleinstädten und Gemeinden als Angebot der Jugendarbeit gefördert. Diese Tatsache steht einer Profilschärfung entlang der Paragraphen deutlich im Weg, wenngleich die Notwendigkeit einer konzeptionellen Klarheit und Abgrenzung zu anderen Arbeitsfeldern im Diskussionsprozess immer wieder betont wurde.

Deutlich wurde für den LAK Mobile Jugendarbeit Sachsen an dieser Stelle auch noch einmal, dass die Rahmenbedingungen unter denen Mobile Jugendarbeit/ Streetwork besonders im ländlichen Raum geleistet werden, vom Fachverband in den Blick genommen und von Politik und Verwaltung gestärkt werden müssen. Prekäre Arbeitsbedingungen und geforderte Allzuständigkeiten behindern an vielen Stellen eine fachliche Weiterentwicklung und Diskussion.

Im Ergebnis des Diskussionsprozesses hält der LAK Mobile Jugendarbeit Sachsen fest, dass die Verortung Mobiler Jugendarbeit/ Streetwork in Sachsen in den Paragraphen 11 und 13 als wertvoll erachtet wird, da eine Ausrichtung der einzelnen Projekte anhand der kommunalen/ regionalen Bedarfe so ermöglicht wird. Gleichzeitig konstatiert der Fachverband eine potentiell daraus entstehende mangelnde fachliche Klarheit, welcher immer wieder durch konzeptionelle Arbeit und einer eindeutigen praktischen Ausrichtung zu entgegnen ist. Eine mögliche Differenzierung Mobiler Jugendarbeit/ Streetwork in neue Arbeitsfelder im städtischen und ländlichen Raum sieht der LAK Mobile Jugendarbeit Sachsen derzeit als nicht sinnvoll an und betont an dieser Stelle hingegen die Gefahr des Bedeutungsverlustes insgesamt. Trotzdem wird es weiterhin Aufgabe sein, eine gemeinsame Stimme für ein vielfältiges Arbeitsfeld zu finden und im Prozess der Profilschärfung und Entwicklung des Arbeitsfeldes die spezifischen Gegebenheiten des ländlichen Raumes nicht außer Acht zu lassen.

Auf Landes- und Bundesebene wird sich der LAK Mobile Jugendarbeit Sachsen auch weiterhin in die fachlichen Diskussionen einbringen und diese an gegebenen Stellen anregen. Die Notwendigkeit eines kontinuierlichen Austauschs mit Projekten der Praxis steht dabei im Mittelpunkt um die Arbeitsfelder Mobile Jugendarbeit/ Streetwork in ihren Profilen zu schärfen und weiterzuentwickeln.

 

[1] In Anlehnung an die fachlichen Standards der Bundesarbeitsgemeinschaft Streetwork/ Mobile Jugendarbeit werden Mobile Jugendarbeit und Streetwork als Arbeitsfelder gemeinsam gedacht und durch dasselbe fachliche Konzept begründet. Im Folgenden wird daher diese Doppelbezeichnung verwendet, außer in Kontexten, in denen explizit nur ein Arbeitsfeld gemeint ist.

[2] https://www.lag-mobil.de/download/mobile-jugendarbeit-im-%c2%a7-13-sgb-viii-verankern-niedrigschwellige-angebote-fuer-jugendliche-und-junge-erwachsene-staerken/#