Folgen der Corona-Pandemie für Adressat*innen Mobiler Jugendarbeit/ Streetwork

Die Kinderkommission des Bundestags beschäftigt sich derzeit mit Folgen der Corona-Pandemie und den entsprechenden verabschiedeten politischen Maßnahmen und Einschränkungen für Kinder und Jugendliche.

In der 38. Sitzung der Kinderkommission am 07.10.20 konnten Perspektiven und Erfahrungen von Adressat*innen Mobiler Jugendarbeit/ Streetwork in die Expert*innenanhörung eingebracht werden. Georg Grohmann, Bildungsreferent des LAK Mobile Jugendarbeit Sachsen, war als Vorsitzender der BAG Streetwork/ Mobile Jugendarbeit eingeladen, von Erfahrungen aus der Praxis zu berichten, Folgen für junge Menschen einzuordnen und notwendige Maßnahmen in die politische Debatte einzubringen.

Die Sitzung kann vollständig nachverfolgt werden:

 

Quelle: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw41-pa-kinderkommission-793922

Die vielfältigen Rückmeldungen der Fachkräfte aus Sachsen deckten sich dabei größtenteils mit den Perspektiven aus anderen Bundesländern. Die vorgebrachten Forderungen besitzen daher auch für Sachsen Gültigkeit und müssen in politischen wie auch gesellschaftlichen Diskussionen beachtet werden:

Sehr deutlich wurde wieder einmal, dass unterschiedliche Perspektiven in politische Entscheidungen einfließen müssen, nicht nur diejenigen, der Dominanzgesellschaft. Wer konnte denn in den getroffenen politischen Entscheidungen die Perspektiven von Menschen in Armut, von Menschen ohne Wohnung, von Menschen mit Migrationserfahrungen und von jungen Menschen überzeugend einbringen? Es braucht hierfür keine blumigen Worte, sondern überzeugende Mechanismen, die ein Mitspracherecht, die Beteiligung und Teilhabe garantieren. Für Expert*innen, die Bedarfe und Perspektiven transportieren können aber auch für die betreffenden Gruppen selbst.

Es braucht würdevolle Möglichkeiten für lebensnotwendige Dinge, wie Toiletten, Möglichkeiten der Körperhygiene nachzugehen, Versorgung mit Lebensmitteln und medizinischer Versorgung, Trefforte auch im öffentlichen Raum – ohne sanktioniert und kontrolliert zu werden.

Es braucht geeignete Schutz- und Schlafräume um Jugendliche und junge Erwachsene bei akuten Krisen und in Notfällen auch kurzfristig unterzubringen. Die bestehenden Angebote waren und sind nicht ausreichend.

Es braucht endlich den politischen Willen, Reformen einzuleiten für die Themen Armut und Wohnungslosigkeit. Erhöhung des ALG-II Regelbedarfs auf ein menschenwürdiges und tatsächlich existenzsicherndes Minimum, Abschaffung der Sanktionen, ein massiver Ausbau von sozialem Wohnungsbau mit angemessenen Leitlinien usw. Die Abschaffung von Armut in unserem Land ist möglich, sie ist eine Frage des politischen Willens!

Mobile Jugendarbeit und Streetwork benötigen die Sicherung ihrer Arbeitsfähigkeit auch in Krisenzeiten, sie sind systemrelevant. Die Maßnahme in Baden-Württemberg, wo Mobile Jugendarbeit/ Streetwork durch das zuständige Ministerium als Teil der Daseinsfürsorge benannt wurde, ist beispielhaft und machte unsere Arbeit dort unabhängiger von folgenden Corona-VO. Die Fachkräfte sind dabei routiniert darin, die erforderlichen hygienischen Maßnahmen bereitzustellen bzw. einzuhalten.

Was uns wütend macht ist, dass die Fachkräfte bis zur Überlastung auf der Straße unterwegs waren, sich oft einem hohen Risiko aussetzen mussten und als Dank teilweise jetzt schon die Ankündigungen von Kürzungen erhalten haben.

Wir benötigen für unsere Arbeit bedarfsgerechte, finanzielle und personelle Ressourcen. Es darf aufgrund der hohen Neuverschuldung in den verschiedenen Bundesländern, Landkreisen und Kommunen nicht zu einer Reduktion der Angebote kommen. Die Angebote der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit sind unersetzlich für junge Menschen und unsere Gesellschaft. Sie tragen einen entscheidenden Anteil zu positiven Lebensbedingungen, Verbesserung der sozialen Infrastruktur und zur Demokratiefähigkeit von jungen Menschen sowie zur Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft bei!