Rechtsgutachten zum Neutralitätsgebot erschienen

Neues Rechtsgutachten zur Bedeutung des sog. Neutralitätsgebots für zivilgesellschaftliche Vereine der Demokratie- und Jugendarbeit erschienen. Das Kulturbüro Sachsen e.V. fasst die wesentlichen Aussagen zusammen, das Rechtsgutachten kann auf den Seiten des Kulturbüros heruntergeladen werden.
Auf den Seiten 42 und 43 befinden sich zudem Hinweise darüber, was an Handlungen und Bezugnahmen zu politischen oder parteipolitischen Themen für Vereine erlaubt und was ausgeschlossen ist.

Kernaussagen des Rechtsgutachtens

[Auszug; zitiert nach Kulturbüro Sachsen 2024, Hervorhebungen durch Kulturbüro Sachsen ]

Zusammenfassend kommt Prof. Dr. Hufen zu folgenden Ergebnissen:

  1. Mit seinen Ausführungen zum Neutralitätsgebot und zur Chancengleichheit politischer Parteien hat der Sächsische Landesrechnungshof (SRH) im Sonderbericht die Kompetenzen des Rechnungshofs überschritten. Über die Verfassungsmäßigkeit der Förderpraxis eines Ministeriums hat allein die Gerichtsbarkeit zu entscheiden.
  • Inhaltlich erweist dich die Argumentation des SRH als einseitig und wenig tragfähig und bietet auch keine Anhaltspunkte für einen Handlungsrahmen für künftiges Verhalten der Beteiligten. Sie konzentriert sich einseitig auf die Einhaltung des isoliert betrachteten Neutralitätsgebots und lässt die Anforderungen der ebenfalls verfassungsrechtlich verankerten Staatsaufgabe Demokratieförderung, der streitbaren Demokratie und der Grundrechtsstellung der geförderten zivilgesellschaftlichen Kräfte außer Betracht.
  • Die politische Nähe eines schon im Titel auf Soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt ausgerichteten Ministeriums zu auf dieselben Ziele gerichteten gesellschaftlichen Vereinigungen ist kein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot, sondern geradezu sachimmanent.
  • Politische Bildung und Demokratiearbeit sind stets auf ethische Werte und Verfassungsziele gerichtet und deshalb nie „neutral“. Auch sind sie Ausdruck der streitbaren Demokratie und verpflichtende Staatsaufgabe, die auch und gerade durch private Organisationen wahrgenommen werden kann.
  • Die Offenheit des demokratischen Willensbildungsprozesses ist ein herausragendes Verfassungsprinzip. Sie darf nicht durch Neutralitätsgebot und Chancengleichheit der Parteien verkürzt werden. Beide Verfassungsgüter dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
  • Die öffentliche Finanzierung privater Initiativen bedeutet nicht, dass deren Äußerungen zu solchen des Staates werden. Die privaten Träger sind weder Instrument noch „Sprachrohr“ des Ministeriums und auch nicht in gleichem Maße an ein – wie auch immer definiertes – Neutralitätsgebot und die Chancengleichheit der Parteien gebunden.
  • Die Bildungsarbeit freier Träger darf Gefahren für die Menschenwürde, für die freiheitliche demokratische Grundordnung, für die Grundrechte und für Staatsziele wie den Schutz natürlicher Lebensgrundlagen und europäische Einigung auch und gerade dann abwehren, wenn diese Gefahren von Programmen politischer Parteien ausgehen.
  • Weder das Neutralitätsgebot noch die Chancengleichheit politischer Parteien verbieten die sachliche Auseinandersetzung mit diesen – auch wenn die entsprechende Partei oder führende Funktionäre konkret benannt werden.

Beitragsbild: © Kulturbüro Sachsen e.V.