Kampagne gegen diskriminierende Polizeikontrollen

Pressemitteilung 

Kampagne gegen diskriminierende Polizeikontrollen: 

Bündnis klärt über sogenannte „Gefährliche Orte“ in Chemnitz auf

Am 5. September 2023 startet in Chemnitz die Kampagne „Beware, police control! – Gemeinsam gegen diskriminierende Polizeikontrollen“. Hinter der Kampagne steht ein Bündnis unter anderem aus Beratungsstellen für Betroffene, Trägern Mobiler Jugendarbeit sowie Vertreter*innen aus Politik und Wissenschaft. 

Hintergrund ist, dass die Polizei in Chemnitz an einigen Stellen sogenannte „Gefährliche Orte“ eingerichtet hat. Dort hat die Polizei erweiterte Rechte und kann anlasslose Kontrollen durchführen, also ohne konkreten Verdacht auf eine Straftat. Die Polizei veröffentlicht keine Informationen darüber, welche Orte sie so einstuft. Bürger*innen können nicht wissen, ob sie sich gerade an einem „Gefährlichen Ort“ befinden. Erfahrungsgemäß kommt es an diesen Orten vermehrt zu racial profiling, also zu unverhältnismäßig häufigen Kontrollen von Migrant*innen, BIPoC (Black, Indigenous, and People of Color) oder Geflüchteten. Das ist eine diskriminierende Praxis, die in Deutschland verboten ist. „Für Betroffene hat das schwerwiegende Folgen“, sagt Maleen Täger vom Antidiskriminierungsbüro Sachsen. „Teilweise meiden unsere Klient*innen aus Angst vor ständigen Polizeikontrollen bestimmte Orte und nehmen Umwege in Kauf. Manche überlegen sogar aus diesem Grund, aus Chemnitz wegzuziehen“. 

„Darüber hinaus können diese Kontrollen für Umstehende das Bild erzeugen, die kontrollierten Personen hätten sich etwas zu Schulden kommen lassen“ so André Löscher, Berater bei der Betroffenenberatung „Support“ des RAA Sachsen e.V.“ Wenn ein Großteil der kontrollierten BIPoC sind, kann die Zuschreibung kriminellen Handelns schnell verallgemeinert werden und rassistische Klischees verfestigen – die wiederum Anfeindungen und Gewalt gegen Rassismusbetroffene zur Folge haben können.“

Georg Grohmann vom LAK Mobile Jugendarbeit Sachsen e.V. ergänzt, dass Jugendliche ebenfalls häufig in den Fokus anlassloser Kontrollen geraten. „Die intransparente Kontrollsituation und der massive Eingriff in die Privatsphäre beispielsweise einer zusätzlichen Durchsuchung der Person werden von vielen Jugendlichen als höchst ungerecht erlebt“, beschreibt Grohmann das Problem und führt weiter aus: „Für Jugendliche sind öffentliche Plätze wichtige Orte um Freizeit zu verbringen und Freund*innen zu treffen. Gerade von Armut betroffene Jugendliche haben wenig Ausweichmöglichkeiten und können sich kommerzielle Freizeitangebote nicht leisten.“

Tim Detzner, Stellv. Landesvorsitzender DIE LINKE. Sachsen, kritisiert: „Die Polizei klärt die Betroffenen in der Regel nicht über die Ermächtigungsgrundlage der Kontrolle auf. Die intransparente und inflationäre Anwendung erweiterter polizeilicher Befugnisse kann bei den betroffenen Personen den Eindruck polizeilicher Willkür erzeugen.“ Dies schadet laut Detzner „der notwendigen Entwicklung einer offenen und solidarischen Stadtgesellschaft“. 

Besondere Kontrollzonen gibt es in viele deutschen Städten – und an vielen Orten wächst der Widerstand dagegen. In Chemnitz ist die Anzahl besonders hoch – hier sind nach aktuellem Wissensstand 13 Orte betroffen, im Vergleich zu 6 in Leipzig und 7 in Dresden. „Wir wollen hier in Chemnitz eine öffentliche Debatte über die Praxis der „Gefährlichen Orte“ anregen“, erklärt Jan Diebold vom Antidiskriminierungsbüro Sachsen. „Dabei sollen Fragen aufgeworfen werden wie: Welche Orte werden als „gefährlich“ eingestuft und warum? Was sind die Folgen für verschiedene Gruppen innerhalb der Stadtgesellschaft? Um wessen Sicherheitsgefühle geht es dabei?“

Die Kampagne richtet sich vor allem an Menschen, die besonders im Fokus anlassloser Kontrollen stehen, beispielsweise Betroffene von racial profiling. Ziel der Kampagne ist es, potenziell Betroffene über ihre Rechte gegenüber der Polizei sowie Beschwerdemöglichkeiten und Unterstützungsangebote zu informieren, aber auch Zeug*innen Möglichkeiten an die Hand zu geben. 

Das Kampagnen-Bündnis hat, gefördert durch die Amadeu Antonio Stiftung, Materialien (Flyer, Plakate, Sticker) sowie eine Webseite erarbeitet. Dort finden sich umfassende Informationen für Betroffene und Zeug*innen, Hinweise auf Beratungsstellen sowie ein digitales Kontaktformular für diskriminierendes Polizeiverhalten. Dort können Betroffene und Zeug*innen Fälle einfach nur melden oder bei Bedarf zuständige Beratungsstellen zur Vereinbarung von Gesprächsterminen kontaktieren:

Homepage der Kampagne „Beware, police control!“, www.be-aware-police-control.de 

Pressekontakt:

Maleen Täger, Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V., chemnitz@adb-sachsen.de, 0371 433 084 61 

André Löscher, Beratungsstelle Support des RAA Sachsen e.V., opferberatung.chemnitz@raa-sachsen.de, 0371 481 94 51 

Dies ist eine gemeinsame Pressemitteilung von: 

  • Antidiskriminierungsbüro Sachsen e.V. 
  • Betroffenenberatung „Support“ des RAA Sachsen e.V.
  • Landesarbeitskreis Mobile Jugendarbeit Sachsen e.V.
  • Mobile Jugendarbeit des Domizil e.V.
  • Tim Detzner, Stellv. Landesvorsitzender DIE LINKE. Sachsen